Langbogen selbst machen: Meine Erfahrungen im Workshop bei Bernd auf Kogelmoos
Im Sommer habe ich mit meiner Freundin Claudia übers Bogenschießen geplaudert – und dann nicht mehr daran gedacht. Im Herbst hat sie sich einen Bogenbau-Workshop zum Geburtstag gewünscht und gefragt, ob ich mitkommen mag. Nun ist es so weit: Von Schwaz aus fahren wir mit dem Auto durch idyllische Wäldchen hinauf nach Kogelmoos.
Von weichen und härteren Holzsorten
Nach einem Begrüßungskaffee führt uns Bernd in die Welt der Hölzer ein und erklärt, dass Haselnuss zu den eher weicheren Hölzern zählt, während Robinie ein zweifarbiges Holz ist und die Esche zu den härteren Holzsorten gehört. Für den Bogenbau ist ein sehr gerade gewachsenes Holz von Vorteil.
Entscheidungen treffen über das Körperpendel
Die Auswahl der verschiedenen Hölzer ist vielfältig. Also nehme ich jeden der einzelnen Stämme in die Hand und frage innerlich: „Ist das heute das richtige Holzstück für mich?“ Da, wo ich in meinem Körper ein Zurückweichen spüre, ist das für mich ein Nein. Als ich einen schönen Haselnussstamm mit meiner Hand berühre, gibt mir mein Körper mit einem „nach-vorne-Streben“ ein Ja.
Genaues Augenmaß
Gemeinsam mit Bernd schauen Claudia und ich den jeweiligen Ast gut an: seinen Wuchs, mögliche Astlöcher, Verwachsungen und Ausrichtungen. Ich finde es spannend, wie sich der eigene Blick verändert, wenn ich im Fokus des Bogenbauens bin. Bernd hat mir im Vorfeld, bei einem Telefonat, schon die Haselnuss empfohlen. Claudia traut er zu, ein spannendes Werkstück mit der Esche zu fabrizieren.
Die Hölzer stutzen wir auf unsere Körpergröße. Gemeinsam mit Bernd legen wir die Mitte und den Rücken des Bogens fest. Bernd zeichnet dann jeweils am Stockende eine Waagrechte und Senkrechte ein und markiert die obere Hälfte mit Bleistift. Diese sollen wir nun Schicht für Schicht weghobeln.
Werkbank, Schraubstock und Hobel
Wir spannen die Mitte unseres Astes, die zusätzlich von einem Stück Teppich ummantelt ist, in einen Schraubstock ein. Noch einmal schauen wir uns den Verlauf des Holzes an. Ein paar Millimeter noch drehen – jetzt passt es perfekt. Mit einem Hobel, der zwei Griffe hat und wie ein „U“ aussieht, arbeiten wir uns Schicht für Schicht zur Mitte des Astes – und das auf beiden Enden des Holzstücks. In einer stetig ziehenden Bewegung schneide ich hauchdünne Holzsplitter ab. Dabei arbeiten wir von der Mitte aus nach außen.
Mir wird wärmer. Ich konzentriere mich auf das Abraspeln und denke an nichts mehr. Ich bin froh, dass ich zwei dünne Arbeitshandschuhe anhabe, die meine Hände schützen. Auch der Ehering bleibt in der Geldtasche, um Blasen zu vermeiden. Am Boden sammeln sich die Holzspäne. Mir fällt natürlich der Spruch ein: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ Immer wieder prüfen wir mit Bernd, wo genau wir hobeln sollen. Und die Zeit vergeht wie im Flug.
Dann ist es Zeit für die Mittagspause, und Bernd verwöhnt uns mit einer ausgezeichneten Kaspressknödelsuppe. So gestärkt geht es weiter mit dem Hobeln und Nachfragen, was weggeschnitten werden darf. Außerdem verdünnen wir nach außen hin die Breite des Stocks.
Zum Abschluss zeigt Bernd, wie er eine Nocke am Ende des Holzstabes einschnitzt. Das schaut wie ein Kopf mit Hals und Schultern aus. Da wird schließlich die Sehne des Bogens festgemacht. Am anderen Ende meines Stabes mache ich es Bernd nach. Ok, fürs erste Mal kommt auch bei mir eine Kopfform heraus. Alles gut abschmirgeln – und wir sind fertig für heute. Am Abend falle ich müde ins Bett.
Langsam nimmt der Bogen Form an
Am zweiten Tag geht es weiter mit dem Hobeln. Durch diese gleichbleibende Bewegung mit dem Ziehmesser mache ich mich mit diesem Werkzeug gut vertraut. So entdecke ich auch, wie sich Holz verhält. Heute kommt das „Tillern“ hinzu. Immer wieder testet Bernd die Biegfreudigkeit des Holzes. Dazu gibt er eine dünne Schnur in die Nocken am Ende des Holzstabes und legt diesen mit der Mitte auf die Till-Wand hinauf. Dann zieht er sachte die Schnur nach unten und hängt sie in einen Haken ein. Wow! Jetzt erkenne ich, wie sich der Bogen formt!
Mit einem Bleistift zeichnet Bernd ein, wo noch Holzschichten weg gehören und wo wir gut aufpassen sollten, damit nicht zu viel abgehobelt wird. Zwischen dem Hobeln greife ich mit den Händen, wie dick die Holzschichten auf beiden Seiten sind. Denn der Bogen sollte auf beiden Enden gleich dünn und gleich breit sein.
Nach flämischer Art oder als unendliche Schleife
Nun darf ich mir eine Farbe für die Sehne meines Bogens aussuchen: Rot, Schwarz, Gelb, Weiß … Mit dem „Körperpendel“ entscheide ich mich für Gelb und für die Anfertigung einer unendlichen Schleife der Sehne. Bernd misst noch einmal den Abstand zwischen den Nocken ab. Von diesem Wert zieht er ungefähr fünf Zentimeter ab. Dann darf ich um vier Stöckchen fünfmal den gelben Kunststofffaden herumführen. Der Faden fühlt sich klebrig an, da er mit Bienenwachs umhüllt wurde. Diese Kunstfaser ist elastisch, was sie zu einem idealen Werkstoff für die Sehne macht.
Dann umgarne ich mit einem schwarzen, reißfesten Faden das Ende der fünf Fäden. Er hat dafür eine extra Spule, damit Fadenring um Fadenring ganz knapp aneinanderliegt. Das wird etwa fünf Zentimeter lang. Bernd zeigt uns einen tollen Trick, wie man ein Fadenende ohne Knoten festmacht. Dann auf der anderen Seite ummanteln, nochmals lösen, und die fünf Fäden werden zu zehn Fäden gelegt. Eine Schlaufe oben und unten noch einmal mit Schwarz festmachen – natürlich wieder mit dem „Vernähtrick“. Fertig ist meine unendliche Schleife.
Claudia wählt für sich die Sehne nach flämischer Art herzustellen. Sie wählt zwei Farben zu je fünf Fäden, jedoch zwanzig Zentimeter länger, als die Sehne sein wird. Nun dreht sie fünf Fäden zu sich zeigend ein, um dieses Fadenbündel nach hinten zu legen. Drehend und nach hinten legend arbeitet sie ihre Schnur ab. Auch sie macht je eine Schleife am Anfang und am Ende.
So spanne ich die Sehne im Bogen ein
Bernd zeigt uns, wie man die Sehne im Bogen einspannt: Also eine Schlaufe bei der unteren Nocke einlegen, mit dem rechten Fuß zwischen Bogen und Sehne hineinsteigen. Der untere Teil des Bogens ist jetzt zwischen dem linken Fußgelenk und der rechten Wade eingeklemmt. So hat man Kraft, das obere Ende des Bogens sachte herunterzudrücken und die obere Schlaufe in der oberen Nocke zu fixieren. Jetzt schaut er aus wie ein richtiger Bogen!
Eins fehlt noch: Bernd befestigt den Bogen noch einmal im Schraubstock. Er nimmt die Spule mit dem schwarzen Faden, legt diesen ein paar Mal auf der Höhe vom Griff an und beginnt mit der Sehne zu schwingen – und … die Spule dreht sich auf wundersame Weise um alle zehn Stränge der Sehne! So wird die Sehne zum Greifen fertig gemacht.
Mit Pfeil und Bogen
Bernd zeigt uns verschiedene Pfeile mit unterschiedlichen Spitzen. Da die Herstellung von Pfeilen sehr aufwendig war und in Schlachten viel Material gebraucht wurde, gab es im Mittelalter drei Berufe rund um das Bogenschießen: Bogenbauer, Pfeilhersteller und Spitzenanfertiger.
Für meinen Pfeil säge ich eine Nut quer zur Holzmaserung des 8,1 mm dicken Holzstabes aus Buche. Gut abschmirgeln – und fertig. Dann wähle ich eine Schablone für die bunten Federn. Für den Pfeilbau sind das Truthahnfedern, weil diese eine gute Festigkeit haben. Die Leitfeder sollte eine andere Farbe als die beiden anderen Federn haben. Das hilft mir später, den Pfeil richtig anzulegen. Dann fixiere ich die Federn mit Malerkreppband und schneide sie am Rand der Schablone aus. Dabei ist es wichtig, dass zwei bis drei Millimeter mehr Federkiel überstehen. Dies brauche ich, damit ich die Federn mit einem reißfesten Faden auf dem Pfeil befestigen kann.
Ich richte die Leitfeder im 90-Grad-Winkel zur Nut aus. Zwei Fingerbreit bleiben Platz bis zum Ende des Pfeils. Dann umwickle ich den Federkiel fest mit einem reißfesten Faden. Im Winkel von 120 Grad richte ich die beiden anderen Federn aus und fange ebenfalls am Kiel an. Den Faden führe ich dann aufwärts strebend rundherum um den Stab nach oben und im Abstand von ungefähr acht Millimetern umwickle ich alle drei Federn. Am Ende richte ich noch einmal die Federkiele zueinander aus und umwickle im letzten Schritt die oberen Federkiele. Ende des Fadens mit dem Trick festmachen.
Bernd schraubt eine Pfeilspitze auf unseren Pfeil – und fertig ist unser Kunstwerk!
Den ersten Pfeil loslassen
Ich stehe quer zum Ziel und halte den Bogen in meiner linken Hand. Mit der rechten Hand gebe ich den Pfeil ganz nach links hinter den Bogen. Nun füge ich die Nut des Pfeils an die Sehne des Bogens und halte die Sehne mit drei Fingern meiner rechten Hand. Der Pfeil ruht auf meiner linken Faust und am Bogen. Ich fixiere das Ziel. Ich atme ein, hebe den Bogen, mein linker Arm ist gestreckt, und ich ziehe die Sehne an. Ich atme aus – und lasse den Pfeil los.
Stolz, freudig und müde fahren Claudia und ich nach Hause zurück.
Fazit
Allen, die mit dem Gedanken spielen, sich selbst einen Langbogen zu bauen, kann ich diesen Workshop bei Bernd wärmstens empfehlen! Meine Angst vor scharfen Werkzeugen hat sich beim Hobeln mit dem Langmesser völlig aufgelöst. Es ist wundervoll, mit eigenen Händen Schicht für Schicht die Bogenform herauszuschälen!
Bernd hat großartiges Wissen rund um den Bogenbau, die Hölzer, steht mit Rat und Tat zur Seite und hat uns kulinarisch sehr verwöhnt! Die Aussicht von Kogelmoos aufs Inntal ist herrlich – und wir wurden mit wunderschönen Sonnenuntergängen belohnt.
Weitere Informationen zu Bernd und seinen Workshops findest du hier:





